DGZ-Newsletter 04 | 2024
Im DGZ-Newsletter werden wissenschaftliche Informationen zur Zahnerhaltung kompakt und verständlich auf den Punkt gebracht. Die Inhalte werden von Expertinnen und Experten der deutschen Universitätszahnkliniken verfasst, die exklusiv von interessanten Entwicklungen aus ihrer aktuellen Forschungsarbeit berichten.
Hot Topic: Amalgam-Verbot
In dieser Ausgabe widmen wir uns zunächst mit dem Amalgam-Verbot ab 2025 einem Thema, das aktuell in aller Munde ist. In der Rubrik Hot Topic finden Sie das Hintergrundpapier der DGZ und der DGZMK, in dem Antworten auf die wichtigesten Fragen zu finden sind.
Tipps für die Praxis: Kommunikation mit Patientinnen und Patienten
Für den zweiten Teil unseres Newsletters freuen wir uns, dass wir Herrn Professor Dr. Johann Wöber aus Dresden gewinnen konnten, der praktische Tipps zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten mit dem Instrument der Motivierenden Gesprächsführung aufzeigt. Besonders der Erfolg von zahnärztlicher Prävention wird maßgeblich davon beeinflusst, dass die Empfehlungen konsequent umgesetzt werden.
Amalgam-Verbot ab 2025 | Hintergrundinformation der DGZ und der DGZMK
Zum 1. Januar 2025 tritt ein weitreichendes Verbot der Verwendung von Dentalamalgam in der Europäischen Union in Kraft. Dies geht auf die Verordnung 2024/1849 [1] des Europäischen Parlaments und des Rates zurück, die eine vorzeitige Einschränkung der Nutzung von quecksilberhaltigem Amalgam um etwa zehn Jahre vorzieht.
Amalgam darf ab diesem Datum nur noch in Ausnahmefällen angewendet werden, wenn eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt dies aufgrund spezifischer medizinischer Notwendigkeiten als zwingend erforderlich ansieht. Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) hat zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) die aus dem Verbot resultierenden wichtigsten Fragen an die Zahnmedizin mit Antworten in einem Hintergrundpapier aufgelistet.
Zum Hintergrundpapier ...
Literatur
[1] Verordnung (EU) 2024/1849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/852 über Quecksilber im Hinblick auf Dentalamalgam und andere mit Quecksilber versetzte Produkte, die Ausfuhr-, Einfuhr- und Herstellungsbeschränkungen unterliegen https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202401849
Kommunikation mit der Motivierenden Gesprächsführung
von Prof. Dr. med. dent. Johan Wölber, Leiter des Bereiches Parodontologie an der Poliklinik für Zahnerhaltung, mit den Bereichen Parodontologie und Kinderzahnheilkunde am Universitätsklinikum an der TU Dresden
Die Kommunikation zwischen Zahnärzt*innen und Patient*innen stellt die Grundlage einer jeden zahnärztlichen Konsultation, Prävention und Therapie dar. Gerade im Bereich der Karies- und Gingivitis-/Parodontitisprävention ist der Erfolg maßgeblich davon beeinflusst, ob Patient*innen adhärent sind und die empfohlenen Maßnahmen entsprechend umsetzen. Die Methode der Motivierenden Gesprächsführung (engl. Motivational Interviewing, MI) nach Miller und Rollnick [1], die ursprünglich für den Bereich der Suchterkrankungen entwickelt wurde, zeigt zunehmend Anwendung und Evidenz auch in anderen Gesundheitsbereichen, wie auch in der Zahnmedizin.
Die MI ist keine einzelne Technik, sondern setzt sich aus Grundhaltungen, Prozessen und Kommunikationstechniken zusammen. Diese sollen im Folgenden kurz skizziert werden. Darüber hinaus bietet die Universität Freiburg einen Online-Kurs (https://wb-ilias.uni-freiburg.de/emimed/) für das Erlernen der Basisfertigkeiten des MI an.
1. Grundhaltungen in der Motivierenden Gesprächsführung
Die Grundhaltungen im MI basieren auf den Werten und Einstellungen von Akzeptanz, Mitgefühl, Empathie, Unterstützung, Partnerschaftlichkeit und Evokation („Hervorlocken“) (Abb. 1).
Abb. 1: Partnerschaftlichkeit, Mitgefühl, Akzeptanz und Evokation als Grundlagen der Motivierenden Gesprächsführung. | © Johan Wölber
Akzeptanz ist eine Grundlage, um intrinsische Motivation überhaupt erst zu ermöglichen. Das heißt, die Patient*innen dürfen sich verändern, wenn sie es wollen, aber sie müssen nicht. Dieses schließt auch ein, die Autonomie der Patient*innen zu betonen („Sie können durch das Vermeiden von Zucker auch Karies vermeiden, aber Sie müssen es nicht.“). Unter der Akzeptanz wird wiederum das Prinzip der Partnerschaftlichkeit gezählt. Im Rahmen eines MI-Gesprächs kommen also zwei Expert*innen auf Augenhöhe zusammen, die Zahnärzt*in als Expert*in für die Erkrankung an sich und die Patient*innen als Expert*innen für ihre Erkrankung (und ihre Ressourcen zur Prävention und Therapie). Die Zahnärzt*innen nehmen die Rolle des Unterstützers ein.
Unter Mitgefühl wird verstanden, nur solche Verhaltensänderungen oder Maßnahmen zu adressieren, die auch wirklich dem Wohl der Patient*innen dienen.
Empathie beschreibt die Grundhaltung, sich als Therapeut*in auch in die Welt der Patient*innen zu versetzen.
Unter Evokation wird das Grundprinzip verstanden, den Patient*innen keine Patentrezepte zu verschreiben oder vorzugeben, sondern über (vor allem offene) Fragen, die eigenen Möglichkeiten und Ideen hervorzulocken.
2. Prozesse: Schritt für Schritt Verhaltensweisen ändern
Die Prozesse im MI beschreiben die gemeinsamen Schritte im Rahmen von Veränderungen (Abb. 2).
Abb. 2: Prozesse in der Motivierenden Gesprächsführung. | © Johan Wölber
Der erste und vielleicht wichtigste Schritt ist es, eine gute professionelle Beziehung herzustellen. Diese hat sich in vielen Studien zur Wirksamkeit von Zusammenarbeit als konstanter Wirkfaktor herausgestellt. Haben wir keine gute Beziehung zu unseren Patient*innen, wird die Veränderung unwahrscheinlicher.
Die Fokussierung beschreibt den Prozess, sich über das Thema der Veränderung abzustimmen (wie zum Beispiel Zuckerkonsum, Mundhygiene oder Rauchen).
Die Evokation beschreibt sowohl eine Grundhaltung als auch einen Prozess, mit Hilfe dessen Veränderungen im MI nicht direktiv „befohlen“ werden („Sie müssen besser putzen.“), sondern herausgelockt werden sollten („Wo könnten Sie sich vorstellen, Ihre Mundhygiene noch zu intensivieren?“).
Wenn Patient*innen Veränderungsabsichten geäußert haben, zeigen Befunde der Gesundheitspsychologie, dass Patient*innen eigene Pläne für die Verhaltensänderung formulieren sollten, um die Erfolgsquote der Durchführung zu erhöhen („Wie und wann wollen Sie mit den Zahnzwischenraumbürsten arbeiten?“).
3. Kommunikationstechniken bei der Motivierenden Gesprächsführung
Da es beim MI darum geht, dass Patient*innen sich in die Veränderung hineinreden, ist Zuhören eine zentrale Technik. Nach offenen Fragen sollte den Patient*innen auch ermöglicht werden, auszureden und Ideen zu entwickeln. Offene Fragen helfen dabei, dass Patient*innen angeregt werden, sich Gedanken über Veränderungsprozesse zu machen. Offene Fragen ergeben in der Regel mehr relevante Informationen als geschlossene Fragen, die man nur mit Ja oder Nein beantworten kann (geschlossene Frage: „Putzen Sie die Zähne?“ vs offene Frage: „Wie betreiben Sie Mundhygiene?“).
Würdigen ist sowohl eine Grundhaltung als auch eine Kommunikationstechnik. MI ist ressourcen-orientiert und würdigt das Einbringen von eigenen Ideen in den Veränderungsprozess („Ich finde, Sie haben tolle Ideen für die Gesunderhaltung Ihrer Zähne formuliert.“). Neben der Motivationsförderung fördert das Würdigen auch die Beziehung zu den Patient*innen.
Reflektieren ist eine häufig beschriebene Kommunikationstechnik in gesundheitspsychologischen Methoden und ein wichtiges Instrument, Empathie auszudrücken. Reflektionen geben vereinfacht gesagt, den Inhalt des Vorhergesagten wieder. Patient*innen können auf Grundlage der Reflektion ihre Gedanken weiterentwickeln und präzisieren. Zusammenfassungen sind im Grunde genommen Reflektionen zu einer größeren Sinneinheit. Auch sie gehören zum Anwenden des MI.
Eine wichtige Grundlage bei den Kommunikationstechniken im MI ist es, die Patient*innen vor Informationsgabe um Erlaubnis zu bitten.
Literatur
[1] Miller und Rollnick. Motivierende Gesprächsführung. 3. Auflage. ISBN 978-3-7841-2545-9
Bildrechte: Portraitfoto Prof. Wölber/privat.