DGZ-Newsletter 03 | 2024

Im DGZ-Newsletter werden wissenschaftliche Informationen zur Zahnerhaltung kompakt und verständlich auf den Punkt gebracht. Die Inhalte werden von Expertinnen und Experten der deutschen Universitätszahnkliniken verfasst, die exklusiv von interessanten Entwicklungen aus ihrer aktuellen Forschungsarbeit berichten.

In dieser Ausgabe dreht sich alles um die im Mai 2024 veröffentlichte S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich“. Prof. Dr. Diana Wolff aus Heidelberg, Koordinatorin der Leitlinie, informiert in der Rubrik Neues aus der Forschung über die wichtigsten Inhalte und steht im Interview Detailfragen Rede und Antwort. 

Die neue S3-Leitlinie zur Kompositrestaurationen beinhaltet viele wichtige Aspekte der täglichen Arbeit. Prof. Dr. Roland Frankenberger aus Marburg gibt Tipps für die Praxis zu den besonders relevanten Themen Kontaminationskontrolle, Lichtpolymerisation und Zahnumformungen.

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Neues aus der Forschung

S3-Leitlinie: Erste Evidenzaufbereitung zu Kompositrestaurationen

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland bei gesetzlich Versicherten mehr als 47 Millionen direkte Restaurationen angefertigt. Der überwiegende Teil waren direkte Kompositrestaurationen [1]. Aufgrund des zunehmend flächendeckenden Einsatzes dieses Materials, auch über die Standardindikationen Klasse I bis V hinaus, war es erforderlich geworden, eine aktuelle Leitlinie mit hohem Evidenzgrad und Empfehlungen für die verschiedenen Indikationsbereiche und deren -abgrenzungen zur Verfügung zu stellen. Die wichtigsten Inhalte sind im Folgenden kurz zusammengefasst.

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Erstmals systematische Aufbereitung und Evaluation der Literatur zu Kompositrestaurationen 

Die neue S3-Leitlinie unter dem Titel „Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich“ ist die erste ihrer Art, die die wissenschaftliche Evidenz für Kavitätenklassen I bis V sowie für Kavitäten mit Höckerersatz und Zahnformkorrekturen systematisch aufbereitet hat [2]. Sie evaluiert das Überleben von direkten Kompositrestaurationen im Vergleich zu alternativen Versorgungsarten, die in Form von Komparatoren in die Beurteilung einfließen. Eine Gruppe von mandatierten Expertinnen und Experten erarbeitete mit Unterstützung eines Teams von Methodikerinnen und Methodikern evidenz- sowie konsensbasierte Empfehlungen anhand von Überlebens-, Sekundärkaries- und Frakturraten sowie qualitativer Restaurationsparameter und stimmte über diese Empfehlungen im Rahmen eines strukturierten Konsensusprozesses unter Leitung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ab.

Evidenzbasierte Bewertung für direkte Kompositrestaurationen in Kavitätenklassen I und II

Basierend auf einer breiten Evidenzbasis spricht die Leitlinie eine Kann-Empfehlung für die Verwendung von Kompositmaterialien für direkte Restaurationen der Kavitätenklassen I und II aus. Die Aufbereitung der Daten zeigte, dass bei den verfügbaren systematischen Reviews und Meta-Analysen in der Bewertung der Kriterien Retention, Fraktur und Sekundärkaries eine Gleichwertigkeit zwischen Amalgam und Komposit sowie weiteren Komparatoren vorlag. Eine genauere Betrachtung der vergleichenden klinischen Originalarbeiten zeigte, dass durch das Einschließen von Kindern und Heranwachsenden in diese Studien die Anwendung von Komposit im Vergleich zu Amalgam mit Nachteilen verbunden war. In den klinischen Studien, die keine Kinder und Heranwachsenden einbezogen, zeigte Komposit bessere Ergebnisse. Weitere Parameter wie beispielsweise Minimalinvasivität oder Ästhetik konnten aufgrund fehlender Daten nicht evaluiert werden. Daraus ergab sich in der Gesamtbewertung für die Anwendung von Komposit eine Kann-Empfehlung.

Höckerersatz mit Komposit ist möglich!

Die Leitlinie attestiert erstmalig, dass auch Seitenzahnkavitäten mit Höckerersatz mit direkten Kompositrestaurationen versorgt werden können. Weiterhin ist in diesen Indikationen natürlich auch die Verwendung von indirekten Kompositrestaurationen möglich, insbesondere wenn spezifische Einflussfaktoren auf Zahn-, Mund- oder Patientenebene (z. B. eingeschränkte Compliance, ein direktes Vorgehen erschweren. Indirekte Kompositinlays (also ohne Ersatz der Höcker) sollten jedoch nicht angewendet werden, vor allem nicht, wenn die Kavität minimalinvasiver mit einer direkten Kompositrestauration versorgt werden kann.

Substanzschonung: Soll-Empfehlung von Komposit im FZ-Bereich

Eine uneingeschränkte Empfehlung gibt die Leitlinie für direkte Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich bei Defekten der Klassen III und IV und auch für Zahnformkorrekturen. Die Expertengruppe empfahl mit starkem Konsens, dass, wenn immer möglich, direkte Zahnformkorrekturen aus Komposit im Sinne eines zahnhartsubstanzschonenden Vorgehens bevorzugt werden sollten. Bei Klasse-V-Kavitäten spricht die Leitlinie eine Kann-Empfehlung für Kompositrestaurationen aus, wenn eine adäquate Kontaminationskontrolle und Adhäsivtechnik (2-Schritt-Self-Etch oder 3-Schritt-Etch-and-Rinse oder Universaladhäsiv) angewendet wird. Alternativ können Glasionomerzemente oder modifizierte Glasionomerzemente zur Anwendung kommen.

Kompositrestaurationen: Empfehlungen für den Herstellungsprozess

Weiteres Ziel der Leitlinie war es, neben Informationen zum Überleben und zur Qualität von Kompositrestaurationen in den verschiedenen Indikationsbereichen auch Handlungsempfehlungen für den Herstellungsprozess zu geben. So wurden verschiedene Formen der Kariesexkavation, Trockenlegung, Matrizentechnik, Adhäsivtechnik, Lichtpolymerisation sowie die Ausarbeitung und Politur wissenschaftlich bewertet. Zusammenfassend wird auf Basis von starkem Expertenkonsens empfohlen, pulpanah eine selektive, einzeitige Kariesexkavation vorzunehmen. Zur Kontaminationskontrolle kann sowohl relative als auch absolute Trockenlegung erfolgreich angewendet werden, wobei sich eine absolute Trockenlegung positiv auf die Lebensdauer der Restauration auswirken könnte. Eine optimale Kontaktpunktgestaltung und Überschussvermeidung wird mit einer anatomisch vorgeformten Teilmatrize in Kombination mit einem Keil und Ringsystem empfohlen und bei der Adhäsivtechnik wird für eine langfristig gute Schmelzrandqualität und zur Vermeidung von Randverfärbungen eine Ätzung des Schmelzes mit Phosphorsäure empfohlen.

Starker Konsens für Parameter der korrekten Lichtpolymerisation

Auch der Lichtpolymerisation kommt große Bedeutung zu. Das Expertenpanel hat mit starkem Konsens darauf hingewiesen, dass entscheidende Faktoren für den klinischen Erfolg von direkten Kompositrestaurationen die korrekte Handhabung der Lichtpolymerisationslampe (Richtung der Bestrahlung, Abstand und Durchmesser des Lichtkegels) sowie die eingebrachte Energie unter Berücksichtigung der Opazität und Farbe des Komposits sind.

Literatur

[1] Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. Jahrbuch 2022.

[2] DGZ, DGZMK: S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich“, Langfassung, Version 2.0, 2024, AWMF-Registriernummer: 083-028, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-028.html (Zugriff am: 03.06.2024).

Autorin: Professorin Dr. Diana Wolff, Leitlinienkoordinatorin und Ärztliche Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg

Expertinnengespräch

Neue S3-Leitlinie Komposit – Evidenzaufbereitung für ein präventionsorientiertes Vorgehen

Interview mit Professorin Dr. Diana Wolff, Ärztliche Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde am Universitätsklinikum Heidelberg | Foto: © UKHD

Im Jahr 2019 begann die Arbeit an der S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich“ mit dem Ziel, die aktuell verfügbare Evidenz zum Überleben und zur Qualität von Kompositrestaurationen verfügbar zu machen. Im Mai dieses Jahres mündete der elaborierte Entstehungsprozess in der Publikation der Leitlinie. Die Leitlinienkoordinatorin Professorin Diana Wolff erläutert im Interview die Hintergründe zu den wichtigsten Empfehlungen.

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Frau Professorin Wolff, warum war es notwendig nach der S1-Handlungsempfehlung „Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich“ aus dem Jahr 2016 eine so weitreichende Evidenzsammlung auf den Weg zu bringen? 

Wir wollten zum einen die vorliegende Evidenz zum Überleben und zur Qualität von Kompositrestaurationen in verschiedenen Kavitätenklassen zusammenstellen. Zum anderen hat der Restaurationswerkstoff Komposit in den vergangenen 10 bis 20 Jahren eine zunehmende Indikationserweiterung erfahren. Ich denke da an non-invasive Zahnumformungen aus ästhetischen oder funktionellen Gründen und an große Kavitäten einschließlich Höckerersatz. Zu diesen Indikationserweiterungen über die Standardindikationen der Kavitäten-Klassen I bis V hinaus lag bisher keine Evidenzaufbereitung auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche vor. Daher war es an der Zeit, eine aktuelle Leitlinie mit hohem Evidenzlevel zur Verfügung zu stellen.

Bei der Verwendung von Kompositmaterialien im Seitenzahnbereich haben Sie eine „Datenlücke“ identifiziert. Wie kam es dazu? 

Die Aufbereitung der Studiendaten hat gezeigt, dass sich unsere langjährige klinische Erfahrung mit Komposit nicht unbedingt in der Literatur zu Komposit als Werkstoff für direkte Restaurationen im Seitenzahnbereich widerspiegelt. Komposit schnitt über viele Studien hinweg für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten als „nur“ gleichwertig gegenüber Amalgam, Keramik und teilweise auch Glasionomerzement ab. Das ist darauf zurückzuführen, dass randomisierte kontrollierte Studien mit dem Vergleich Komposit/Amalgam nur limitiert zur Verfügung standen. Es wurden beispielsweise Kinder einbezogen, deren Compliance für den techniksensiblen Werkstoff Komposit wahrscheinlich nachteilig ist. Weiterhin sind heutzutage randomisierte klinisch-kontrollierte Studien zum Vergleich Amalgam und Komposit schwierig bis nicht mehr umsetzbar. Daher konnten wir nur eine Kann-Empfehlung zur Verwendung von Kompositrestaurationen als direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten aussprechen.

Weiterhin muss man erwähnen, dass in die Bewertung nur die Kriterien Retention, Fraktur und Sekundärkaries einfließen konnten, nicht jedoch Ästhetik oder Invasivität der Restaurationen. Aus diesem Grund haben wir den Aspekt der Minimalinvasivität im Kapitel Nutzen-Schaden-Abwägung explizit herausgearbeitet. Unsere Aussage ist somit, dass bei Gleichwertigkeit der Versorgungsarten Amalgam und Komposit bei Klasse-I- und -II-Restaurationen, mit Komposit ein maximal zahnhartsubstanzschonender Ansatz verwirklicht werden kann. 

Glauben Sie, dass die Datenlücke bis zur nächsten geplanten Überarbeitung in 2029 geschlossen werden kann?

In Zukunft werden wir mehr Studien mit Erwachsenen und ohne Komparatoren (also ohne den direkten Vergleich von zum Beispiel Amalgam zu Komposit) zur Verfügung haben. Es wird, zumindest in Europa, nicht mehr möglich sein, Amalgam als Vergleichsmaterial in Studien zu betrachten. Es zeichnen sich schon jetzt bei zwei für die Leitlinie ausgewerteten Studien ohne Komparatoren zunehmend bessere Ergebnisse für direkte Kompositrestaurationen als für Amalgamrestaurationen ab. Ich gehe davon aus, dass wir bis 2029 auf noch mehr Daten zugreifen können und dass sich die jährlichen Versagensraten bei direkten Kompositrestaurationen weiter verbessern werden. 

Es galt lange die Ansicht, dass im Seitenzahnbereich besser indirekt versorgt werden sollte, wenn ein oder mehrere Höcker ersetzt werden müssen. Die S3-Leitlinie hält zu diesem Punkt eine neue Empfehlung bereit. 

Richtig, wir haben mit unserer evidenzbasierten Empfehlung „Kompositrestaurationen können bei Kavitäten mit Höckerersatz im Seitenzahnbereich angewendet werden“ die direkte Komposit-Versorgung in dieser Indikation freigegeben. Das direkte Vorgehen kann substanzschonender als bei einer Gold- oder Keramikrestauration umgesetzt werden. Die konsensbasierte Kann-Empfehlung zur indirekten Versorgungen bei Höckersatz bezieht sich insbesondere darauf, dass weitere Einflussfaktoren wie eingeschränkte Compliance, schlechte Zugänglichkeit oder eine komplexe funktionelle Rehabilitation vorliegen. 

Die neue evidenzbasierte Soll-Empfehlung zur Verwendung von direktem Komposit zur Zahnformkorrektur im Frontzahnbereich betont die Wertschätzung für ein präventionsorientiertes Vorgehen. Wie sieht die Datenlage im Vergleich zu Keramikveneers aus? 

Die Keramik-Veneers haben in Studien zwar sehr gut abgeschnitten, doch es gab nur eine Studie, die Keramikveneers versus Zahnformkorrekturen mit direktem Komposit direkt verglichen hat. Die Keramikveneers schnitten in Punkto Überleben etwas besser ab, obwohl die Umformungen mit Komposit auch gute Überlebensdaten zeigten. Dies führte zu der konsensbasierten Empfehlung, dass zur Zahnformkorrektur, wann immer möglich zahnhartsubstanzschonende direkte Verfahren bevorzugt werden sollen, alternativ aber auch indirekte Keramikveneers zur Anwendung kommen können.

Wie sehen die Empfehlungen bei Klasse-V-Kavitäten aus?

Die evidenzbasierten Kann-Empfehlungen bei Klasse-V-Kavitäten beinhalten die Notwendigkeit einer adäquaten Kontaminationskontrolle und Adhäsivtechnik, wenn direkte Komposite verwendet werden sollen. Als Alternative können Glasionomerzemente oder modifizierte Glasionomerzemente verwendet werden. Die Studienlage zu Komposit versus Glasionomerzement bei Klasse-V-Kavitäten ist gut. Bei den Endpunkten Retention und marginale Adaptation schneiden die Glasionomerzemente gut bis sehr gut ab. Die Komposite rangierten gleich dahinter auf Platz zwei. In einigen Endpunkten gab es aber eben signifikante Unterschiede zu Gunsten des GIZ. 

Neben der Evidenzaufbereitung zum Überleben und zur Qualität von Kompositrestaurationen in den verschiedenen Kavitätenklassen sowie in den erweiterten Indikationsbereichen enthält die Leitlinie konsensbasierte Empfehlungen zur Anwendung und Verarbeitung von Komposit. Welchen Stellenwert haben diese Empfehlungen? 

Mit den konsensbasierten Empfehlungen möchten wir zur Qualitätssicherung bei der Verarbeitung von Kompositrestaurationen beitragen. Die geeignete Form der Kariesexkavation, Kontaminationskontrolle, Matrizen- und Adhäsivtechnik sowie die korrekte Lichtpolymerisation sind entscheidend für die Prozessqualität. Den Kolleginnen und Kollegen steht nun ein Handlungsleitfaden für die optimierte Verarbeitung von Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich zur Verfügung.

Was meinen Sie: Werden die Empfehlungen der neuen S3-Leitlinie, die insgesamt gesehen die Bedeutung der minimalinvasiven und adhäsiv verankerten Restaurationstechniken betonen, die tägliche Praxis von Zahnärztinnen und Zahnärzten beeinflussen?

Die Evidenzaufbereitung in der Leitlinie zeigt, dass Kolleginnen und Kollegen nun verstärkt auf Komposit setzen können, ohne Abstriche bei der Qualität und Langlebigkeit der Restaurationen machen zu müssen – vorausgesetzt die Qualität des Herstellungsprozesses ist gegeben. Da sich die Patientinnen und Patienten in der Regel eine minimalinvasive Vorgehensweise mit maximaler Zahnhartsubstanz-Schonung und weniger Risiko für Komplikationen wünschen, spricht das sehr für die Umsetzung unserer Empfehlungen, wann immer das möglich ist. Wir hoffen, dass die evidenzbasierten Empfehlungen der S3-Leitlinie eine patientenzentrierte und präventionsorientierte zahnmedizinische Versorgung weiter fördern. 

Frau Professorin Wolff, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dr. med. dent. Kerstin Albrecht

Tipps für die Praxis

Non-Invasivität bei hoher Prozessqualität

von Prof. Dr. med. dent. Roland Frankenberger, Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung, Philipps-Universität Marburg und Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg | Foto: Roland Frankenberger

Die neue S3-Leitlinie zur Kompositrestaurationen beinhaltet viele wichtige Aspekte der täglichen Arbeit. An dieser Stelle sollen drei extrem aktuelle und praxisrelevante Punkte herausgestellt werden – Kontaminationskontrolle, Lichtpolymerisation und Zahnumformungen.

Kontaminationskontrolle: Fehler im adhäsiven Protokoll vermeiden! 

Zitat aus der Leitlinie: Eine Kontaminationskontrolle mit Kofferdam (absolute Trockenlegung) könnte sich langfristig positiv auf die Lebensdauer der Restaurationen auswirken.“ Ein guter Merksatz in diesem Zusammenhang lautet: Kofferdam ist ein hervorragender Behandlungsstandard. Er funktioniert nicht in jeder Kavitätenkonfiguration, aber er erleichtert viele Situationen. Es bleibt dabei: Die Kontamination (z. B. Speichel, Blut, Sulkusflüssigkeit, Adstringentien, Detergentien, Kosmetikprodukte, Kavitätentoilette) ist noch immer die Fehlerquelle Nr. 1 im adhäsiven Protokoll. 

Lichtpolymerisation: Verschwenken des Lichtleiters reduziert die Komposit-Haftung am Kavitätenboden 

Neben der Kontamination ist die nicht korrekt durchgeführte Lichtpolymerisation die wohl größte und am meisten unterschätzte Fehlerquelle im Rahmen adhäsiver Restaurationen. Zitat aus der Leitlinie: Lichtpolymerisation ist ein entscheidender Faktor für den klinischen Erfolg von Kompositrestaurationen.“ Ein Beispiel aus einer aktuellen Arbeit zeigt eindrucksvoll den Effekt des Verschwenkens des Lichtleiters hinsichtlich der Adhäsion am Kavitätenboden von Klasse-I-Restaurationen:

Abb. 1: Systematisches Verschwenken und Effekt auf die Dentinhaftung am Kavitätenboden (grüner Balken: 0°, gelber Balken: 10°, roter Balken: 20° verschwenkt). © Frankenberger et al., unpublished

Das wissenschaftliche Beispiel zeigt klar, welche eklatanten Auswirkungen eine nicht korrekt durchgeführte Lichtpolymerisation auf die Haftung am Kavitätenboden hat. 

Non-invasiv: Zahnumformungen aus Komposit 

Zitat aus der Leitlinie: Für Zahnformkorrekturen im Frontzahnbereich sollen Kompositmaterialien zum Einsatz kommen.“ Gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in der Influencer-Szene („Turkey Teeth“) [1, 2], wo heute regelmäßig gesunde Zähne zur kosmetischen Farbgestaltung und Formkorrektur zu Kronen präpariert werden, ist es wichtig herauszustellen, dass Komposit hier komplett non-destruktiv verwendet werden kann und den einzigen evidenzbasierten Weg in dieser Fragestellung bedeutet. Kronenpräparationen an gesunden Zähnen sind Körperverletzung und werden im British Dental Journal bereits wissenschaftlich als „Elective dental destruction“ klassifiziert.

Abb. 2: Zahnumformung mit Komposit plus Papillenwachstum ohne Zahnpräparation. | © Roland Frankenberger

Literatur

[1] Kelleher M. Controversies about so-called 'Turkey teeth'. Br Dent J. 2023;235(1):804-5. doi:10.1038/s41415-023-6562-6
[2] Frankenberger R. Kennen Sie „Turkey Teeth“? Oder: Der ethische Kompass. Quintessenz Zahnmed. 2024;75(4);247.

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